091 | Aufbruch aus dem Lager

Bezeichnung/Titel
Aufbruch aus dem Lager
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
091
Inventarnummer (BStGS)
196
Aktueller Aufbewahrungsort
Alte Pinakothek, München
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1922
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Herstellungsdatum
1665
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
50,3 x 72,4 cm
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 17-18
Kurztitel
Seite
S. 30
Kurztitel
Seite
S. 11
Kurztitel
Seite
S. 65, Nr. 350
Kurztitel
Seite
S. 61, Nr. 350
Seite
S. 531, Nr. 865
Kurztitel
Seite
S. 271, Nr. 1101
Kurztitel
Seite
S. 105, Nr. 509
Kurztitel
Seite
S. 111, Nr. 509
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Rechts blasen zwei berittene Trompeter vor einem Marketenderzelt, der an Krug und Kranz links oben zu erkennen ist, zum Aufbruch. Im Zelt bedrängt ein Mann eine Frau – ein Motiv, welches öfters in Wouwerman seinen „Soldatenlager“ (Pinakothek, München) zu sehen ist – während ein Reiter zusammen mit einer Frau auf dem Pferd vor dem Wirt des Zeltes hält. Der Marktender gießt dem Reiter Wein ein. Links sitzen weitere Soldaten vor einem Lagerfeuer, rauchen oder würfeln. Zwischen diesen findet sich ein Mann, der gerade einen Hund streichelt, während ein Kind an ihm hochklettert. Gerade solche „lustigen“ Episoden finden sich häufig in dessen Werken (Klaassen 2009, S. 112).

So wird im Vorder- und Mittelgrund das Treiben eines Lagerlebens angedeutet, während im nebligen Hintergrund bereits die Truppen aufbrechen. „Auch farbig ist das Bild sehr reich, allerdings ohne starke Kontraste, alles durch einen silbrigen Ton zusammengehalten. Nur der bekannte Schimmel leuchtet daraus hervor“ (Bulle 1906, S. 30). Diesen Farbton finden wir nicht nur bei mehreren Werken Wouwermans, sondern auch bei anderen Malern, wie Pieter van Laer oder Palamedes Palamedesz. Jedoch sind Wouwermans Pferdedarstellung detailreicher und „Überzeugend mit souveränem, frischem Pinsel“ ausgeführt (Dekiert 2006, S. 235). Die verschleierten Farben des Trosses im Hintergrund finden sich auch bei „Marschierenden Soldaten“, welches Mitte der 1660er geschaffen wurde (Buvelot 2009, S. 128).

Silbrige Töne und eine weite Landschaft, letztere wird aber die für Figuren (aus allen Perspektiven) und ihre genrehaften Darstellung zurückgenommen, sprechen für ein späteres Werk, also aus den 1660er (Schuhmacher 1989, S. 135). Insgesamt schafft Wouwerman ab Mitte der 1650er häufiger Soldatenlager mit Trompeter und Schimmel mit „Reiter vor dem Marketenderzelt“ (Privatbesitz), die weniger das Grauen des Krieges, als komische Genreszenen, zeigen. (Schuhmacher 1989, S. 145).

Alexander Steinmüller

Kurztext

Der „Aufbruch aus dem Lager“ (1665) vom wichtigsten holländischen Schlachtenmaler Philips Wouwermans (1619-1668) zeigt genrehafte Motive des Soldatenlebens, aber nicht die Schrecken des Krieges. 

Rechts blasen zwei berittene Trompeter vor einem Marketenderzelt, das an Krug und Kranz links oben zu erkennen ist, zum Aufbruch. Im Zelt bedrängt ein Mann eine Frau, während ein Reiter vor dem Wirt anhält sowie links Soldaten ihre Zeit mit Rauchen und Würfeln verbringen. Zwischen diesen findet sich ein Mann, der gerade einen Hund streichelt, während ein Kind an ihm hochklettert. Gerade solche genrehaften Episoden finden sich häufig in Wouwermans Werken.

Alexander Steinmüller

Anmerkung

Reber 1906: „Aufbruch aus dem Lager. Ein Trompeter auf einem Schimmel gibt ein Signal, während ein Marketender einem Reiter, der mit einer Frau auf dem Pferde vor dessen Zelt hält, aus einer Fogliette Wein einschänkt. Links Biwack und würfelnde Soldaten. Bez. rechts PHS (verschlungen) W.“ (S. 17-18)

Bulle 1906: „Zu echter Kunst gelangen wir wieder, wenn wir uns den Reiter- und Gefechtsbildernzuwenden. Bei solchen Stoffen kommt es den Holländern nicht auf den großen Wurf der einzelnen Figur, nicht auf sprechende Linien und Bewegungen an, sondern ausschließlich auf das malerische Gesamtbild: bewegte Gesamtmassen, durch die Farben malerisch gegeliedert, meist in den Rahmen einer weiten Landschaft gefaßt. Unser erstes Bild dieser Art schein mir die Lagerszene von Wouwermann (Nr. 91). Gegenständlich ist es ein reiches Vielerlei: Trompetensignal, Abschiedstrünke, Suppenkochen, das ganze bunte Leben einer aufbrechenden Truppe. Auch farbig ist das Bild sehr reich, allerdings ohne starke Kontraste, alles durch einen silbrigen Ton zusammengehalten. Nur der bekannte Schimmel leuchtet daraus hervor. Und man kann gerade hier gut empfinden, daß dieser ewige Schimmel nicht eine gegenständliche Marotte des Malers, sondern ein ganz bestimmtes Kunstmittel ist: er hebt und stärkt durch sein leuchtendes Weiß alle übrigen Farben.“ (S. 30)

Haack 1921/1922: „Auch Wouwermann soll von Frans Hals nicht unbeeinflußt geblieben sein. Und er ist in unserer Galerie verhältnismäßig recht gut vertreten. Wouwermann nimmt eine Sonderstellung unter den holländischen Malern ein. Pflegen sie sich für gewöhnlich in Figuren- und Landschaftsmaler zu sondern, pflegen sie sich auf wenige Figurten zu beschränken, pflegen sie, die ruhigen Holländer, auch ihre Figuren zumeist im Zustande der Ruhe zu malen, so ist er der holländische Dramatiker, ist er zugleich Landschaftsmaler und hauptsächlich Figurenmaler, so verfügt er über eine reiche Phantasie und schüttet eine Fülle von Motiven über seine Bildtafeln aus, die von Menschen, Tieren, vorzugsweise Pferden, von allerhand Gerät, Architekturen mannigfaltiger Art und landschftlichen Gegenständen geradezu strotzen. Da ist immer sehr viel los. Er erzählt und er unterstreicht. Und doch weiß er alles zusammenzuhalten und einheitlich zu gestalten in guter Linien- und Farbenkomposition. Wouwermann war ein tüchtiger Maler, der nach der Mitte zu die Farbentöne anschwellen und ganz in der Mitte zwischen Rot und Blau oder sonst kräftigen Farben Farbe und Licht sehr häufig aufs höchste in der Figur eines Schimmels erklingen ließ, der dadurch geradezu im Volkmunde zum Wahrzeichen seiner Gemälde geworden ist. Um den Pferde- Kriegsmaler Wouwermann gruppieren sich in unserer Galerie eine Reihe anderer Vertreter dieses Faches: Jan van Huchtenburg, Herman van Lin, Palamedes Palemedesz gen. Stevaerts, er selbst hat als Pferdemaler von dem gleichfalls hier vertretenen Pieter van Laar, auf den später noch ein Mal zurückzukommen ist, Anregungen empfangen, wie er als Figurenmaler auf Frans Hals zurückweist.“ (S. 11)