082 | Holländische Wirtsstube

Bezeichnung/Titel
Holländische Wirtsstube
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
082
Inventarnummer (BStGS)
247
Aktueller Aufbewahrungsort
Alte Pinakothek, München
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1934
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Herstellungsdatum
17. Jh.
Material
Holz
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
49,4 x 57,8 cm
Inschrift
Signiert links, unter dem Fenster: "M(?) Sorgh"
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 16
Kurztitel
Seite
S. 30-31
Kurztitel
Seite
S. 195
Kurztitel
Seite
S. 10
Kurztitel
Seite
S. 82, Nr. 384
Kurztitel
Seite
S. 89, Nr. 384
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

In einer Stube befinden sich sechs Männer. Durch ein offenes Fenster wird ein Geigenspieler links beleuchtet, der den Betrachter direkt anblickt. Vor seinen Füßen liegt eine zerbrochene Pfeife, die auf einen Streit verweist, da Rauchen und Trinken als Verderber der Sitten und Moral galten (Schneider 2004, S. 168.)

Rechts von ihm findet sich weitere Pfeife rauchende Männer, während der hinterste die Pfeife zu seinem Mund führt und dabei seinen Vordermann anblickt, hat dieser seinen Blick ebenfalls auf den Betrachter gerichtet und sein Trinkgefäß gegriffen, als wäre der Betrachter gerade selbst in die Stube getreten. Die Tätigkeit der zwei weiteren am Tisch sitzenden Männer ist nicht näher zu erkennen, da sie sich schemenhaft kaum vom Hintergrund ablösen, sie wirken jedoch lethargisch – vermutlich um die Wirkung des Alkohols zu visualisieren. Links der Gruppe kniet der Wirt vor einem Fass. Hinter ihm öffnet sich der Raum zu einem weiteren Zimmer mit einem Bett, einem Alkoven.

Neben der Darstellung diversen alltäglichen Gegenständen, wie Pfeifen, Gläser und Körbe, zeigt sich, dass die damalige ärmere Landbevölkerung oftmals keine eigenen Stühle, sondern Eimer oder Kisten, verwendete. Das Bild ist damit als Beispiel des holländischen Genres zu sehen, um deren moralischen und detailreichen Malerei bzw. und alltäglichen Motiven zu visualisieren.

Neben den sitzenden Männern findet sich ein Kamin, der auch in Sorghs „Holländische Bauern“ (Nr. 81) von 1646 und „Bauern in der Schenke“ (Museum der bildenden Künste, Leipzig) von 1653 zu sehen ist. Dort aber detailreicher, wie differenzierte Materialität, und Witz. Zudem steht das vorliegende Bild unter größeren Einfluss David Teniers des Jüngeren. Trotzdem ist die moralische Kritik, nämlich das lasterhafte Verhalten der Bauern anzuprangern, bei beiden gleich (Nicolaisen, S. 288).

Alexander Steinmüller

Kurztext

Maertensz Sorgh (1610-1670) zeigt eine „Holländische Wirtsstube“, in der eine Gruppe von Bauern rauchen und trinken, während sie von einem Geigenspieler unterhalten werden. Ein weiterer Mann, vermutlich der Wirt, zapft gerade am Fass. Der Konsum von Tabak und Alkohol galt in Holland als Laster. Dies wird besonders im Vergleich zum Werk „lustige Gesellschaft“ (Nr. 51) von Richard Brakenburgh (1650-1702) deutlich, der weniger die apathische Wirkung des Alkohols als die sexuelle Enthemmtheit wiedergibt. Bei Sorgh verweist dagegen der Alkoven auf sexuelle Begierden.

Alexander Steinmüller

Anmerkung

Reber 1906: „Holländische Wirtsstube. Ein Bauer unterhält mit Geigenspiel die trinkenden und rauchenden Gäste. Rechts vorne zapft der Wirt von einem Fasse. Bezeichnet links unter dem Fenster: H. M. Sorgh.“ (S. 16)

Bulle 1906: „Es bleiben uns noch die Bauernmaler. Ihr Wesen kann man sich am besten an der Wirtsstube des Hendrik Sorgh (Nr. 82) klar machen. Beleuchtung im geschlossenen Raum, naturalistisch beobachtet, das ist meist ihr malerisches Ausgangsproblem. So sehen wir hier, wie das Licht zum Fenster hereinströmt, in der Mitte eine Menschengruppe trifft und sich schließlich hinten in einen Alkoven verliert. Bauern, in groben Kleidern, deren Farben bunt, aber gedämpft sind, trinkend, rauchend, schäkernd, manchmal raufend und sich in jeder denkbaren Weise ungebührlich benehmend, das ist das hundertfältig variierte Thema dieser Maler. Aber die unverhüllten Aeußerungen roher Instinkte werden erträglich, weil sie nicht als die Hauptsache vorgetragen werden. Die Hauptschache ist immer das malerische Gesamtbild, das der Künstler darin sieht.“ (S. 30-31)

Reber 1913: „Noch besser erscheint das zweite, gleichfalls bezeichnete Stück mit einem vor Trinkern und Rauchern geigenspielenden Bauern und dem bierzapfenden Schänkwirt (aus der Zweibrückener Galerie).“ (S. 195)

Haack 1921/22: „Wie das elegante, so ging auch das sozusagen derbe Genre von Fans Hals aus. Er beeinflußte aber auch den vlämischen Maler Brouwer und dieser wieder den Holländer Sorgh, von dem zwei prachtvolle, echt holländische, also echt deutsche Genrebilder in Erlangen hängen, nicht weniger ursprünglich in ihrem unverblümten Humor als reizvoll in der pikanten koloristischen Wirkung, wie sich die kräftigen satten Lokalfarben aus dem schummrigen dunklen braungoldigen Gesamtton heraus entwickeln.“ (S. 10)