112 | Maria mit Kind

Bezeichnung/Titel
Maria mit Kind
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
112
Inventarnummer (BStGS)
506
Aktueller Aufbewahrungsort
Alte Pinakothek, München
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1922
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Herstellungsdatum
ab Mitte/Ende 16. Jh.
Material
Leinwand
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
58,7 x 43,6 cm
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 22
Kurztitel
Seite
S. 36
Kurztitel
Seite
S. 198
Kurztitel
Seite
S. 5
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Die “Madonna” der Alten Pinakothek ist eine Kopie nach dem vormals Raffael Santi (1483-1520) zugeschriebenen Werk, das heute als Northbrook Madonna bekannt ist und sich im Worchester Art Museum befindet (Reber 1913, S. 198 u. Bulle 1906, S. 36).

Mittig wird im Hochformat die Muttergottes vor einer niedrigen Balustrade gezeigt, die als Begrenzung zu einer nach hinten weitläufigen Hügellandschaft dient. Sie sitzt etwas nach links gewandt, während sie ihren Kopf geneigt hat und etwas außerhalb des rechten Bildrandes zu beobachten scheint. Mit ihrer Hand stützt sie den auf ihrem Oberschenkel stehenden, unbekleideten Jesusknaben. Dieser hält sich an ihrem Finger und den Gewandfalten der Mutter an der Brust fest, während er den Kopf nach links gedreht hat.

Das Vorbild entstand im frühen 16. Jahrhundert und befand sich ab 1873 im Besitz von Lord Northbrook in London, wodurch es seinen Titel erhielt. Zunächst wurde das Werk verschiedenen umbrischen Künstlern zugeschrieben, bevor Fry und Philipps 1910 den Maler und Architekten Raffael als Schöpfer des Gemäldes nannten. Was damals bereits von mehreren Italienexperten negiert wurde, wird heute in der Forschung allgemein abgelehnt. Derzeit nimmt das Worcester Art Museum an, dass das Werk womöglich von Domenico Alfani (1480-1553) nach einer Skizze Raffaels geschaffen wurde (Meyer zur Capellen 2005, Bd. 1, S. 309).

Wer der Maler des Münchner Exemplars ist, muss ebenso ungeklärt bleiben. Zwischen den beiden Versionen gibt es einige Unterscheidungen. Zunächst stimmen die Haltungen der Dargestellten nicht vollständig überein. Die Muttergottes im ursprünglichen Gemälde ist weniger gedreht und näher an den Bildrand gerückt wiedergegeben. Die Madonna der Münchner Version wirkt hier kleiner, was durch ihre insgesamt zartere Figur unterstützt wird. Auch der Jesusknabe weist Unterschiede auf. In der Kopie stützt sich das Kind deutlich auf der Mutter ab. Die naturalistische Wiedergabe wirkt jedoch in der Northbrook Madonna gelungener. Beide zeigen deutlich ihren Einfluss durch Raffaels Werk “Die kleine Cowper Madonna” (1505), das heute in The National Gallery of Art in Washington zu sehen ist und als Intitiationswerk für Raffaels Reihe an hoch geschätzen Madonnenbildnissen und deren Rezeption durch nachfolgende Künstler gilt.

Jennifer Höhne

Kurztext

Die Darstellung der Madonna geht auf ein Werk zurück, das sich bis 1927 im Besitz von Lord Northbrook in London befand und daher den Namen “Northbrook Madonna” erhielt. Zunächst Raffael (1483-1520) zugeschrieben, vermutet man hinter dem Schöpfer des Gemäldes den umbrischen Künstler Domenico Alfani (1480-1553), der es nach einer Zeichnung des Meisters selbst schuf und starke Einflüsse durch dessen Gemälde “Kleinen Cowper Madonna” (1505) erkennen lässt. Die aufgezeigten Versionen des Gemäldes verweisen deutlich auf das große Interesse an dieser Komposition und an Werken des berühmten Renaissancemalers. Raffaels zarte Figuren und durchdachte Arrangements inspirierten nicht nur Zeitgenossen, sondern auch viele nachfolgende Künstler.

Jennifer Höhne

Anmerkung

Reber 1906: „Kopie nach Raphael [...] Maria mit Kind. Die hl. Jungfrau hält das auf ihrem Schosse stehende Jesuskind. Hintergrund Landschaft. Kniestück. […] Kopie nach dem Bilde bei Lord Northbrook in London. - Von Kurf. Karl Theodor erworben.“ (S. 22)

Bulle 1906: „Mit Raffael (Nr. 112) stehen wir auf der Höhe der Renaissance. Was seine Kunst will, das kann man einigermaßen an der alten Kopei der bei Lord Northbrook in London befindlichen Madonna ermessen. Das Ringen nach einem idealen Stil, nach Schönheit in Linie und Bewegung hat sein Ziel erreicht. Man beachte wie überlegt die Gruppierung von Mutter und Kind ist: es ist ein wundervoll geschlossener, aber auf das lieblichste bewegter Umriß, innerhalb dessen unser Blick umher geführt wird, nicht durch Licht und Schatten wie bei Rembrandt, sondern durch Linie und Form. Und dies geschieht in einem großen ruhigen Rhythmus, der den Wohlklang der griechischen Schönheitslinie fast erreicht. Auch die Farben sind ein in sich geschlossener einfacher und doch voller Akkord, ein Dreiklang von Blau (am Manel, als Basis des Dreiecks), darüber Rot (am Obergewand) und Elfenbeinweiß (am Gesicht der Madonna und am Bambino); das Weiß tritt dabei, weil es die vordrängendere Farbe ist, an räumlicher Ausdehnung etwas hinter dem Rot zurück. Als Hintergrund dient nun in der Landschaft ein entsprechender, aber gedämpferer Dreiklang: dunkler, fast schwarzer Vordergund, bräunlicher Mittelgrund, grüne Ferne, in welcher fernes Gebirg und Himmel zusammenfließen. Dieser grüne Himmel zeigt vielleicht am deutlichsten, wie fern diese Kunst dem Naturalismus steht. Die Naturwerte werden nicht genommen wie sie wirklich sind, sondern sie setzen sich in der künstlerischen Anschauung um zu einer höheren, in sich einheitlichen und daher überzeugenden Wahrheit.“ (S. 36)

Reber 1913: „Etwas zu weichlich erscheint die Kopie der Madonna von Raphael in der Sammlung des Lord Northbrook in London (von Karl Theodor erworben, phot. von Hanfstängl).“ (S. 198)

Haack 1921/22: „Raffael selber und Lionardo mit seiner Mona Lisa sind je durch eine Kopie vertreten.“ (S. 5)