120 | Geburt Christi

Bezeichnung/Titel
Geburt Christi
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
120
Inventarnummer (BStGS)
648
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1922
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Herstellungsdatum
um 1470/1475
Material
Pappelholz
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
Ø 82,3 cm
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 23
Kurztitel
Seite
S. 34
Kurztitel
Seite
S. 5
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Der Tondo mit der Darstellung der „Anbetung des Kindes“ wird um 1470/75 datiert und dem Künstler mit dem Notnamen „Alunno di Benozzo“ (dt.: Schüler des Benozzo) zugeschrieben.

Das Gemälde wird horizontal durch eine Raumecke und eine niedrige Balustrade in einen Vorder- und Hintergrund getrennt. Im vorderen Bereich ist die kniende Jungfrau Maria zu sehen, die gemeinsam mit drei jugendlich dargestellten Engeln auf der linken Bildhälfte das vor ihnen auf dem Boden liegende Christuskind anbetet. Währenddessen hat der hinter Maria im rechten Bildfeld ruhende Joseph seinen Kopf in die Hand gelegt und die Augen geschlossen. Im Hintergrund werden die folgenden Szenen bereits aufgegriffen: Am linken Bildrand findet auf einer Anhöhe die Verkündigung an die Hirten statt. Rechts strömt aus einer verdichteten Stadtvedute ein Zug vieler Reiter, wodurch die nahende Ankunft der heiligen drei Könige angedeutet wird (Kranz 2017a, S. 341). Durch die Kombination dieser drei mit der Anbetung des Christuskindes verknüpften Szenen wirkt das Bildfeld ungewöhnlich verdichtet (vgl. Kranz 2017a, S. 345).

Nachdem der Tondo als ein Werk von Alesso Baldovinetti (um 1425-1499) für den bayerischen Hof angekauft wurde, erfuhr es im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Zuschreibungen. Bernard Berenson gelang es schließlich, das Gemälde 1932 dem Künstler mit dem Notnamen Alunno di Benozzo zuzuweisen, nachdem er es einer allerdings nicht homogenen Gruppe von Werken des Malers, darunter Zeichnungen und Gemälde, zuordnen konnte. Dies fußte auf den starken Ähnlichkeiten – sowohl stilistisch als auch motivisch – zwischen diesen Darstellungen und den Werken von Benozzo Gozzoli (um 1420-1497).

Anna Padoa Rizzo versuchte die Werke mit dem jüngsten Sohn des Meisters selbst, Alesso di Benozzo (um 1473-1528), zu verbinden. Im Entstehungszeitraum des Tondos, der auf 1470/75 festgelegt wurde, war Alesso jedoch erst etwa 15 Jahre alt, weshalb er als zu jung eingeschätzt wird (Kranz 2017a, S. 344-345). William E. Suida versuchte 1953 die Werke Amadeo da Pistoia (2. Hälfte 15. Jh.) zuzuschreiben, der als Nachfolger von Benozzo Gozzoli gilt. In der neueren Forschung wird auch diese Zuschreibung abgelehnt. Stattdessen folgt man weitgehend Berenson, der einen dritten, bisher noch unbekannten Maler hinter den Werken vermutet (Kasten 1986, S. 510-511).

Da die Werkstatt Gozzolis in den späten 1460er Jahren zu den wichtigsten in Florenz zählte und demnach wohl viele Mitarbeiter gehabt haben dürfte, lässt sich bis heute die Identität des Alunno di Benozzo nicht vollständig klären (vgl. Kranz 2017a, S. 341-342/345). Wie ähnlich sich die Arbeiten der Werkstattmitarbeiter sind, kann man daran erkennen, dass im The Metropolitan Museum of Art in New York das Gemälde „Verkündigung Mariae“ (um 1480) als ein Werk von Alesso di Benozzo gezeigt wird. Kranz ordnet im Katalog zur florentinischen Malerei in der Alten Pinakothek das Werk jedoch Alunno di Benozzo (um 1480-1500) zu. In diesem Zuge stellt sie die Ähnlichkeiten zwischen diesem Werk und dem Tondo „Geburt Christi“ dar, die durchaus nachvollziehbar sind. Als Beispiel sei hier die deutlich verschattete Gewandhälfte des jugendlichen Engels in der Anbetung und des Erzengels Gabriel in der Verkündigung zu erwähnen (Kranz 2017a, S. 342). Demnach müssten also entweder beide Werke Alesso oder Alunno di Benozzo zugeordnen oder als Werkstattarbeiten gesehen werden.

Jennifer Höhne

Kurztext

Der Tondo “Geburt Christi” von 1470/75 stellt verdichtet mehrere Ereignisse dar, die auf die Geburt des Christuskindes folgen. Während im Vordergrund, innerhalb einer offenen Architektur, die Gottesmutter mit drei Engeln das Kind anbeten, wird im Hintergrund die Verkündigung an die Hirten und der Zug der heiligen drei Könige gezeigt. Mit großem Detailreichtum stellt der Künstler mit dem Notnamen Alunno di Benozzo (dt. Schüler des Benozzo) die Szenerie dar. In den späten 1460er Jahren zählte die Werkstatt von Benozzo Gozzoli zu den wichtigsten in Florenz und beschäftigte viele Mitarbeiter. Durch die Ähnlichkeit der Werkstattarbeiten und aufgrund fehlender Dokumente konnte bislang noch nicht ermittelt werden, wer sich hinter dem Notnamen verbirgt.

Jennifer Höhne

Anmerkung

Reber 1906: „Toskanisch um 1470 […] Christi Geburt. Das links am Boden liegende Kind wird von Maria und drei Engeln adoriert; zur Seite rechts sitzt schlafend Joseph. Im Hintergrunde links die Verkündigung an die Hirten, rechts der Zug der drei Könige.“ (S. 23)

Bulle 1906: „Das Bild Nr. 120, Toskanisch um 1470, zeigt die Entwickungstufe, auf der uns die Namen von Botticelli und Ghirlandajo begegnen und des Verrocchio, der als Bildhauer und Maler gleich groß war (vgl. die Davidstatue Nr. 124). Dem Ghirlandajo dürfte unser Bild am nächsten stehen, namentlich in den betenden Engeln; die fahlen Fleischtöne erinnern an Boticellis oft etwas kränkliche Gesichter. Die florentische Malerei dieser Epoche ist eine zeichnende: die Umrisse sind scharf, jede Form ist plastisch-klar durchmodelliert, als sei sie aus nächter Nähe beobachtet und als könne man sie abtasten, grade wie die alten deutschen Meister sie geben, Dürer und Holbein eingeschlossen. Auch die Farben gehen nicht über ‚schöne Buntfarbigkeit‘ hinaus, sie sind mehr eine Zutat, nicht eine Grundlage des bildnerischen Gestaltens. Für das Beobachten des Wechselspiels zwischen Licht und Farbe ist die Zeit noch nicht gekommen; eine gewisse Strenge und Herbheit liegt über allem – aber in den lieblichen Wendungen der Engelsköpfe unseres Bildes kündigt sich künftige Schönheit an.“ (S. 34-35)

Reber 1913: Kein Eintrag.

Haack 1921/22: „Den Fortschritt in der Naturwiedergabe und das frisch bewegte Leben der Früh-Renaissance des Quattrocento veranschaulicht das gegen 1470 gemalte Toskanische Schulbild der Geburt Christi: im Mittel- und Hintergrund wird uns erzählt, wie die Könige heranreiten zwischen Berg und Tal, an Kirchen und Palästen vorüber, so wie etwa Benozzo Gozzoli und Ghirlandajo zu erhählen pflegten.“ (S. 5)