109 | Die Repräsentanten des Krieges

Bezeichnung/Titel
Die Repräsentanten des Krieges
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
109
Inventarnummer (BStGS)
4876
Aktueller Aufbewahrungsort
Alte Pinakothek, München
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1913?
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Kommentar
Paolo Fiammingo zugeschrieben.
Herstellungsdatum
um 1590/1600
Material
Leinwand
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
177 x 222 cm
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 21
Kurztitel
Seite
S. 39
Kurztitel
Seite
S. 198
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Dieses figurenreiche Gemälde wird Paolo Fiammingo (1540-1596) zugeschrieben und zwischen 1590 und 1600 datiert (Online-Inventar Alte Pinakothek).

Im Querformat wird ein Heer in einer sich im Mittelfeld nach hinten erstreckenden Landschaft dargestellt. Umgeben ist diese stark verkürzte Schlucht von einer Anhöhe auf der rechten Seite, während links ein Fels den Blick ins Tal versperrt. Fiammingo zeigt verschiedene Einheiten von Landstreitkräften, die in einer Vielzahl beisammenstehen. Der Vordergrund wird in der linken Bildhälfte von einer Gruppe Soldaten, die mit Hellebarden und Piken bewaffnet sind, eingenommen. An der Spitze der Einheit ist wohl der Führer der Kompanie zu finden, da er mit einer aufwändigen Rüstung und einem langen Umhang bekleidet ist, sowie einen Kriegsstab in der Hand hält, den er sich in die linke Hüfte gestemmt hat. Im rechten Vordergrund sind zwei Gewehrschützen in einer Vertiefung dargestellt, sodass lediglich ihre obere Körperhälfte zu sehen ist. Während auf am rechten Bildrand eine Gruppe aus musizierenden Soldaten einem Reiterzug die Anhöhe hinauf folgt, findet sich in der Mitte der Schlucht eine weitere Einheit aus Fußsoldaten, die von mehreren Reitern, davon einer mit Trompete, begleitet wird. Über dem Heer sitzen auf einer Wolke neben dem Kriegsgott Mars und der Göttin Athene, die beide in Rüstung dargestellt werden, die Tugenden der Wachsamkeit (Vigilantia) und der Stärke (Fortitudo), die eine Säule als ihr Attribut mit sich führt (Reber 1913, S. 198).

Derselbe Künstler schuf mehrere allegorische Darstellungen, die in der Münchner Sammlung aufbewahrt werden. Neben „Der Kriegsstand“ befand sich ein weiteres Gemälde der Reihe, „Die Allegorie der Kirche“, in der Erlanger Filialgemäldesammlung. Weitere Allegorien tragen die Titel: „Der Landbau“, „Der Lebens- und Liebesgenuss“, „Handel und Gewerbe“, „Die weltliche Herrschaft“, „Allegorie auf Kunst und Wissenschaft“ (1590-1600). Im 19. Jahrhundert sollen zwei unbekannte Werke der Serie vernichtet worden sein. Zwei weitere fielen wohl 1945 in Würzburg der Bombardierung zum Opfer. Die restlichen wurden im Depot der Alten Pinakothek wiederentdeckt. Seit ihrer Restaurierung im Jahr 1985 befinden sich alle - bis auf “Die Allegorie der Kirche” - wieder in der Münchner Residenz (Kasten 2016, S. 363).

Während die bayerische Staatsgemäldesammlung Paolo Fiammingo als Schöpfer der Gemälde nennt, schreiben Bulle und Reber die Werke dem Künstler Andrea Michieli (1542-1618, genannt Vincentino) zu (Bulle 1906, S. 39; Reber 1913, S. 198), der in Venedig u.a. an der Neugestaltung des Dogenpalastes beteiligt war (Kasten 2016, S. 363). Auch Eberhard Kasten führt die Verbindung zwischen Michieli und den ursprünglich 16 Gemälden (vor 1613) mit biblischen und heidnisch-antiken Themen in der Münchner Residenz auf (Kasten 2016, S. 363).

Paolo Fiammingo, eigentlich Pauwel Franck, stammte ursprünglich aus Antwerpen, wo er seine Ausbildung erhielt und 1561 als Mitglied der Malerzunft nachweisbar ist. Ab 1584 kann sein Aufenthalt in Venedig nachgewiesen werden, da er dort bis 1596 der Malerzunft angehörte. Mit ihm können auch Werke der Münchner Residenz in Verbindung gebracht werden (Martin 2004, S. 456).

Jennifer Höhne

Kurztext

Die figurenreiche Allegorie “Der Kriegsstand” wird dem Künstler Paolo Fiammingo (1540-1596) zugeschrieben und gehörte ursprünglich zu einer Folge mit 16 Gemälden. Ein weiteres Bild der Reihe, “Die Allegorie der Kirche”, befand sich ebenfalls in der Erlanger Filialgemäldesammlung (Nr. 110). “Der Kriegsstand” zeigt unterschiedliche Einheiten von Landstreitkräften, die sich, angeführt von ihrem Befehlshaber im Vordergrund, in dichten Gruppierungen über eine weit in die Tiefe geführte Landschaft verteilen. Sie stehen unter dem Schutz der Götter und Tugenden, die auf einer Wolkenbank das Geschehen überhöhen: Mars, der Gott des Krieges, und Minerva, die hier für die kluge, strategische Kriegsführung und zugleich für den Frieden steht, sowie drei Tugendpersonifikationen: Stärke, Wachsamkeit und vielleicht die als Göttin verehrte Virtus, die Tapferkeit. Der Maler, der eigentlich Pauwel Franck heißt, war ein flämischer Künstler, der nach Venedig übersiedelte und dort bei seinen Kunden das Interesse an solchen allegorischen Bilderserien weckte. Diese Serie umfasste  u.a. noch Landwirtschaft, Lebens- und Liebesgenuss, Handel und Gewerbe, Regierung sowie Kunst und Wissenschaft. Bis auf “Die Allegorie der Kirche” sind alle erhaltenen Werke der Serie in der Münchner Residenz zu sehen.

Jennifer Höhne

Anmerkung

Reber 1906: "Andrea Michieli gen. il Vicentino […] Die Repräsentanten des Krieges. Oben Mars und Minerva, Vigilantia und Fortitudo." (S. 21)

Bulle 1906: "Ein eigentümlicher Künstler ist Andrea Michieli von Vincenza (Nr. 109, 110), der zwar zeitlich der Hochrenaissance angehört, aber in seiner etwas trockenen Art und in seiner breiten Erzählerfreudigkeit ganz die Art des Quattrocento fortsetzt." (S. 39)

Reber 1913: „Richtig benannt sind die beiden Allegorien des Krieges und der Religion von Andrea Michieli il Vicentino (1536 - 1614) aus einer Folge von anderen Allegorien aus der Residenz zu München, von welchen sich die Mehrzahl in der Galerie zu Augsburg befindet. Die Repräsentanten des Kriegs, Mars und Minerva, Vigilantia und Fortitudo, erscheinen aber so nüchtern und leer, wie jene der Religion mit Saturn, Theologie, Glaube, Hoffnung und Liebe.“ (S. 198)

Haack 1921/22: Kein Eintrag.