017 | Der Philosoph Pyrrhon im Sturm

Bezeichnung/Titel
Der Philosoph Pyrrhon im Sturm
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
017
Inventarnummer (BStGS)
3688
Aktueller Aufbewahrungsort
Staatsgalerie (Katharinenkirche), Augsburg
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1913?
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Herstellungsdatum
ca. 1500-1530
Material
Pergament
Deckfarben
Technik
Federzeichnung
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
28,4 x 37,9 cm
Inschrift
Tafel am Mast: ‚PIRRHO • HELIENSIS • PLISTARCHI • FILIVS •‘ Tafel an Flanke: ‚OPORTERE • SAPIENTEM HANC ILLIVS IMITARI SECVRITATEM‘ Tafel unten rechts: ‚WER SICH RECHTER WEISHAIT GEPRAVCHEN WI[LL] DER SOL ANGST VND TRIEBSAL NIT ACHTEN VIL'
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 4
Kurztitel
Seite
S. 191
Abbildungsnachweis
wikimedia commons, aus: The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002.
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Die querrechteckige Federzeichnung auf Pergament zeigt ein viermastiges Segelschiff, das sich mit geblähten Segeln durch einen Sturm auf hoher See mit schäumenden Wellen zu kämpfen scheint. An Bord des von rechts nach links driftenden Schiffes recken zahlreiche Reisende in panischer Angst die Hände in Richtung des wolkenbehangenen Himmels. In ihrer Mitte sitzt ein Mann in vollkommener Gelassenheit, der durch eine am Hauptmast befestigte gerahmte Inschriftentafel identifiziert wird. Es handelt sich um den griechischen Philosophen Pyrrhon von Elis (um 360-270 v. Chr), der den Zweifel (griech. skepsis) zum Ausgangspunkt seines Denkens machte und damit als Begründer des philosophischen „Skeptizismus“ gilt (Grupen 2008, S. 48). Pyrrhon weist mit seiner Rechten vor sich auf ein kleines Schwein, das trotz des tosenden Sturmes gleichmütig aus einem runden Trog frisst. Diese Darstellung geht auf eine Überlieferung des Philosophen zurück, laut welcher Pyrrhon und dessen Mitfahrer auf einer Seefahrt in einen Sturm gerieten. Während die übrigen Passagiere in Angst versetzt wurden, soll Pyrrhon völlig ruhig geblieben sein. Nach Poseidonios habe Pyrrhon die Übrigen beruhigt, indem er auf das fressende Schweinchen hinwies und dessen Unerschütterlichkeit als ein Muster für das Verhalten des Weisen lobte (Diog. Laert. 9,11,68). An der linken Flanke des Schiffes verdeutlicht eine weitere gerahmte Tafel die Aussage des Philosophen: „OPORTERE • SAPIENTEM HANC ILLIVS IMITARI SECVRITATEM“ (Es gehört sich für den Weisen, diese Sorglosigkeit von jenem nachzuahmen).

Auf einer dritten, angeschnittenen Tafel unterhalb des Schiffes sind die Worte „WER SICH RECHTER WEISHAIT GEPRAVCHEN WI[LL] DER SOL ANGST VND TRIEBSAL NIT ACHTEN VIL“ zu erkennen. Das Werk wird erst nachträglich auf seine jetzige Größe beschnitten worden sein.

Als Urheber der Zeichnung wird der sog. Petrarcameister (?) angegeben (Online-Sammlung Pinakotheken), der seinen Notnamen nach seinen Vorlagen zu Holzschnitten für „Von der Artzney bayder Glück, des guten und widerwaᵉrtigen“, einer deutschen Übersetzung des Werkes „De remediis utriusque fortunae“ von Petrarca, die 1532 in Augsburg im Druck erschien, erhielt (Scheidig 1955, S. 7).

Madlen Gulitsch

Kurztext

Dieses Werk ist eine Besonderheit der Erlanger Sammlung. Es handelt sich um die einzige Federzeichnung, die in der Filialgalerie ausgestellt wurde. Die Darstellung auf Pergament aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts zeigt ein viermastiges Segelschiff, das sich mit geblähten Segeln durch einen Sturm auf hoher See zu kämpfen scheint. Unter dem Hauptmast sitzt der griechische Philosoph Pyrrhon (um 360-270 v. Chr.), der seine aufgebrachten Mitfahrer beruhigt haben soll, indem er auf ein gleichmütig fressendes Schweinchen an Bord hinwies und dessen Unerschütterlichkeit als ein Muster für das Verhalten des Weisen lobte. In der Zeichnung weist der gelassene Philosoph gerade mit der Rechten auf das vor ihm fressende Tier.

Madlen Gulitsch

Anmerkung

Reber 1906: „Hans Holbein jr. […] Der Philosoph Pyrrhon im Sturm. Auf dem gefährdeten Segelschiff sitzt der eleatische Philosoph ruhig unter den verzweifelnden Seeleuten. Eine Tafel am Mast trägt die Inschrift: Pirrho. Heliensis Plistarchi. Filius. Eine zweite am Bug: Oportere sapientem hanc illius imitari securitatem. Eine dritte unten rechts: Wer sich rechter Weishait geprauchen wil der sol Angst und Triebsal nit achten vil. [...] BEstimmung nicht völlig gesichert.“  (S. 4)

Bulle 1906: Kein Eintrag.

Reber 1913: „Interessanter aber [als Zeitblom] ist ein Gouachebild auf Pergament von Hans Holbein d. J. (1497 - 1543), die klassische Legende vom Philosophen Pyrrhon darstellend, vielleicht ein Entwurf zu einer Fassadenmalerei, die aber als solche nicht ausgeführt wurde oder zerstört ist. Der eleatische Philosoph sitzt in stoischer Ruhe unter den aufgerechten Seeleuten auf sturmbedrohtem Schiffe. Auf einer Tafel am Mast: Pirrho. Heliensis. Plistarchi. Filius. Eine zweite Inschrift am Bug gibt: Oportere sapientem hanc illius imitare securitatem. Eine dritte unten rechts: Wer sich rechter Waisheit geprauchen wil der sol Angst und Triebsal nit achten vil. - Für das aus Würzburg stammende Bild ist nach Inhalt und Form Holbeins Urheberschaft kaum zu bezweifeln.“ (S. 191)

Haack 1921/22: Kein Eintrag.

Archivalien: UAE A1/14 Nr. 48, handschriflicher Katalog von Franz von Reber von 1906 (Abschrift): Depot Schleißheim; Inv. 1855: 3688; [Inv.] 1905: 2268