020 | Die Beweinung Christi

Bezeichnung/Titel
Die Beweinung Christi
Bezeichnung (Gattung)
Gemälde
Katalognummer
020
Inventarnummer (BStGS)
25
Aktueller Aufbewahrungsort
Alte Pinakothek, München
Aufbewahrung (Filialgemäldegalerie)
1906-1913?
Standort in der Orangerie
Herstellung
Hersteller (Person)
Künstler (Art des/kopiert nach)
Kommentar
Nach einer Beweinung Christi von Raffael (diverse um 1507).
Herstellungsdatum
um 1540
Material
Eichenholz
Maße (Höhe/Breite/Tiefe)
34,4 x 22,5 cm
Literaturnachweis
Kurztitel
Seite
S. 5
Kurztitel
Seite
S. 193
Abbildungsnachweis
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München - CC BY-SA 4.0
Eigentümer
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Wissenschaftliche Diskussion

Das kleine, hochformatige Tafelgemälde zeigt die Beweinung Christi, die vor einem runden Zentralbau aus großen Steinquadern – dem Grab, in welches der Verstorbene bald gelegt werden wird – und dem Leidenswerkzeug Christi – dem Tau-Kreuz – stattfindet. Im Vordergrund wird Christus gerade von Joseph von Arimathäa, der traditionell als älterer Mann mit langem Bart dargestellt wird (Kaster 2015, Sp. 204), auf einem weißen Tuch auf den Boden niedergelegt. Vor dem Körper Jesu am vorderen Bildrand liegen weitere Marterwerkzeuge, darunter die Dornenkrone und die eisernen Kreuzesnägel sowie eine Zange, mit der die Nägel entfernt wurden. Hinter dem Verstorbenen haben sich weitere Figuren versammelt, die mit starken Gesten ihre Trauer bekunden. Die Gottesmutter ist aus Schmerz in sich zusammengesunken und wird von einer Frau zu ihrer Rechten und dem hinter ihr stehenden Jünger Johannes gestützt. Johannes trocknet sich die Tränen mit seinem Gewand. Maria Magdalena kniet zu Füßen Christi und hat ihre Stirn auf den Leichnam gelegt. Hinter ihr kniet eine weitere Frau mit kummervoller Mimik. Unmittelbar daneben kniet auch Nikodemus, der Josef bei der Kreuzabnahme unterstützte (Joh 19,39). Er ist im Profil dargestellt und trägt ein kostbares Brokatgewand. Sein schmerzvoller Blick ist auf Christus und die trauernde Magdalena vor ihm gerichtet. Der Hintergrund ist als weitläufiger Landschaftsprospekt gestaltet. Links ist eine Simultandarstellung der Kreuzigung Christi abgebildet.

Das Werk wird dem flämischen Künstler Pieter Coecke van Aelst (1502-1550) zugeschrieben (siehe auch „Vision des Ezechiel“ (Nr. 19), der zur Gruppe der „niederländischen Romanisten“ gezählt werden kann und sich insbesondere an der Kunst des Raffael (1483-1520) orientierte (Castor 1994, Sp. 116). Die Darstellung Coeckes geht auf eine Zeichnung des italienischen Meisters zurück, die sich 1876 noch in der Herzoglichen Sammlung in Gotha befand, heute allerdings als verloren gilt. In der Sammlung des Royal Collection Trust hat sich eine Fotografie der Zeichnung erhalten (Inv.-Nr. RCIN 850547). Möglicherweise könnte sich Coecke aufgrund seines Italien-Aufenthaltes unmittelbar an der Graphik Raffaels orientiert haben. Reber führt im Katalog von 1906 – hier zwar an falscher Stelle, nämlich unter Katalognummer 19 mit der Vision des Ezechiel und nicht Nummer 20 – dagegen einen Stich des Enea Vico von 1548 an (Reber 1906, Kat.-Nr. 19/20 S. 5 – Bartsch 1813 (Bd. 15), Nr. 8, S. 284 ). Da dieser die Zeichnung Raffaels jedoch nicht seitenverkehrt wiedergibt, wäre ein weiterer Zwischenschritt zu vermuten. Stefania Massari merkte an, dass sich der italienische Graphiker Giulio Bonasone Raffaels Zeichnung als Vorlage eines Stiches nahm (circa 1544) und erst dieser wiederum seitenverkehrt von Vico kopiert wurde (Online-Sammlung, Royal Collection Trust). Da das Erlanger Gemälde Raffaels Komposition ebenfalls ungespiegelt zeigt, könnte sich Coecke also an der Graphik des Vico orientiert haben. Diesbezüglich sei jedoch angemerkt, dass Reber 1906 noch von einem unbekannten niederländischen Künstler, und damit wohl keinem nach Italien gereisten Urheber des Gemäldes, ausging. Coecke blieb der italienischen Komposition jedenfalls nicht gänzlich treu, sondern platzierte noch das Kreuz Christi vor die in der vorbildlichen Zeichnung wesentlich größer ausfallende Grabesrotunde.

Madlen Gulitsch

Kurztext

Das Werk schildert die Beweinung Christi mit zahlreichen Figuren vor dem Kreuz; dahinter ein Rundbau, der auf das Heilige Grab in der Jerusalemer Grabeskirche verweist. Die Komposition stammt ursprünglich von einer Zeichnung Raffaels (1483-1520), deren Aussehen sich heute lediglich über eine Fotografie erhalten hat. Der niederländische Künstler Pieter Coecke van Aelst (1502-1550), der selbst eine Zeit lang in Italien lebte und sich seinerzeit stark an der Malerei der italienischen Renaissance orientierte, könnte die Zeichnung über einen italienischen Kupferstich rezipiert haben. Coecke fügte Raffaels Komposition noch das Kreuz hinzu, in der Darstellung der Figuren blieb er dagegen nah am Original.

Madlen Gulitsch

Anmerkung

Reber 1906: „Niederländisch um 1540. Die Beweinung Christi. Der Leichnam ruht im Schoss des Joseph von Arimathia. Maria wird von einer der heiligen Frauen und von Johannes gehalten. Magdalena hat sich mit dem Antlitz auf den Leichnam geworfen, hinter ihr kniet eine der heiligen Frauen neben Nikodemus. Kopie nach einer Komposition Raphaels, Originalzeichnung in Gota. (Crowe und Cavalcaselle, Raphael II. 465/6).“ (S. 5)

Bulle 1906: Kein Eintrag.

Reber 1913: „Geringer erscheint auch die Nachbildung der Raphaelschen Handzeichnung in Gotha (Crowe und Cavalcaselle, Raphael, II S. 465/6), die Beweinung Christi vor der Grabesrotunde darstellend, bei welcher Joseph von Arimathia (?) den Leichnam auf dem Schoße hält, während Maria von Johannes und einer h. Frau gestützt wird und Magdalena mit Nikodemus (?) assistieren. (Aus der Zweibrückener Galerie in Staatsbesitz gelangt.)“  (S. 193)

Haack 1921/22: Kein Eintrag.

Archivalien: UAE A1/14 Nr. 48, handschriflicher Katalog von Franz von Reber von 1906 (Abschrift): Pinak. 168; Inv. 1855: 25; [Inv.] 1905: 4143